Evangeliums-Rundfunk Wetzlar 19. 3. 96
Kurzandacht Nr.:
Thema: Stau am Kreuz
Absicht: gedankliche Parallelen Autobahnkreuz/Kreuz Christi, die Autobenutzern vielleicht
wieder einfallen, wenn sie selbst im Stau stehen, und die Anknüpfungspunkte bieten für Gespräche mit Suchenden, in möglichst verständlichen Bildern
von: U. Hellmann, Scharweg 6, 42799 Leichlingen 02174/3312
Autobahn A 3 morgens um 1/2 10 Uhr. Vor mir ein 30-Tonner aus Polen, hinter mir ein hellroter Pkw mit Stern, auf der rechten Spur zwei Bundeswehrtransporter. Die Gesichter der Fahrer jedes einzelnen Wagens kann ich genau beobachten, die bunte Kette aus Blech und Geräuschen bewegt sich nämlich seit fünf Minuten keinen Meter vorwärts. Ich bin mal gespannt, mit wieviel Verspätung ich in Köln ankommen werde. Stau am Leverkusener Kreuz! Das kann einem den ganzen Tag vergällen !
Stau am Kreuz! Der junge Mann links neben mir in der beigefarbenen Ente denkt bestimmt, ich hätte einen Filmriß im Kopf. Ich lache laut, lasse das Steuer los und klatsche in die Hände. Ich nehme einen Kugelschreiber und meinen Notizblock und fange an, die Geschichte vom Stau am Kreuz aufzuschreiben. Genug Zeit habe ich, so wie´s aussieht , bis zum nächsten Stop-n-go.
Ich stelle mir eine unabsehbare Schlange von Menschen vor, die sich auf das Kreuz zubewegt.
Von überall her, auch von hier aus - bis in den vorderen Orient, zu einem kleinen Land am Mittelmeer, vorbei an dessen Hauptstadt hin zu einem baumlosen Hügel, der von ekligen Gerüchen umweht ist.
Wer in der Reihe weiter hinten steht, muß die Hand vor die Augen halten, um genau zu sehen. Wer noch auf dem Weg ist, so ungefähr kurz hinter den Alpen, sieht nur den Vordermann vor sich und geht ihm einfach nach.
Der Menschenstrom zieht unaufhaltsam weiter. Die kahle Landschaft, den unwirtlichen Ort nehmen sie nicht wahr, sie schauen auf das Kreuz. Da wollen sie hin , dahin zieht es sie mit Macht. Zu einem Kreuz auf dem Hügel vor Jerusalem, der in der Landessprache Golgotha heißt und eigentlich kein Name ist, sondern eine Funktionsbeschreibung.
Ach, wären doch alle die Fahrzeuge vor, hinter und neben mir wirklich auf dem Weg zu diesem Kreuz! Zu der großen Kreuzung, wo sich Gott und Mensch begegnen! Da sollen sich die Massen stauen und die Fahrtrichtung ihres Lebens neu bestimmen!
Im Stau, eingesperrt zwischen Tausenden von Autos, fällt mir ein, was unsere Autobahnkreuzungen und das Kreuz, an dem Christus starb, gemeinsam haben.
An einer Kreuzung begegnen sich Straßen aus verschiedenen Richtungen. Das Hinrichtungskreuz vor Jerusalem ist der Schnittpunkt von Wegen anderer Art, aber Wege sind es auch. Der senkrechte Balken steht als Zeichen für Christus selbst als den Weg Gottes zu den Menschen, sogar bis hinunter zu denen , die keinen dreidimensionalen Körper mehr haben.
Der Querbalken symbolisiert für mich die Wege,auf denen Menschen versuchen, ohne Gott so weit wie möglich zu kommen. Aber sie können nur Wege gehen, die querstehen gegen Gottes gute Ordnung - angefangen von ihrer Unkenntnis über die eigene Schuld bis hin zur bewußten Rebellion. Und am Kreuzungspunkt dieser beiden Wege ist es möglich, die Richtung zu ändern. Gottes Straße ist offen, das erlebte ich oft. Wege, die ich für bequeme Abkürzungen hielt, waren manchmal voller Schlaglöcher und kosteten mich wertvolle Zeit. Aber ich konnte wieder einbiegen auf Gottes Straße, Dort ist alles deutlich und übersichtlich ausgeschildert, es gibt Hinweise, die auf Gefahren aufmerksam machen, es gibt Parkbuchten zum Ausruhen und Notrufsäulen, die jederzeit dienstbereit sind. Nicht zu vergessen die Rasthäuser, sprich Gemeinschaft mit anderen Christen,- dort kann ich tanken und neue Kraft schöpfen.
In einem unterscheidet sich Jesu Kreuz zum Glück von unseren Straßen. Wo es irgend möglich ist, werden unsere Kreuzungen ´entschärft´, wie es so schön heißt. Eine Straße führt über Brücken, die Fahrbahn quer dazu wird als Tunnel unter die Erde verlegt. Es kreuzt sich nichts mehr, jeder fährt seinen Weg vor sich hin, unbehelligt von rechts oder links. An Jesu Kreuz geschieht das Gegenteil. Hier stoßen Gott und Menschen aufeinander. Gott geht keinem aus dem Weg, er will uns begegnen, er will die Konfrontation. Er läßt sich sogar ´an die Karre fahren´, er riskiert bei diesem Crash das Leben des wertvollsten Teils seiner Selbst. Er riskiert es nicht nur, er läßt es zu, daß es getötet wird bei dem Aufprall. Hier fließt Blut, Jesu Blut.
Bei einem Unfall auf unseren Straßen wird für die Verletzten oft Blut gebraucht, das gesunde Menschen vorher gespendet haben. Am Kreuz von Golgatha wurde dagegen der Sterbende Milliarden Menschen zum Lebensspender.
Vor mir bewegt sich was. Geht es weiter? Nein, doch nicht! Es ist nur der polnische LKW-Fahrer. Er hat den Arm aus der Fensteröffnung genommen und die Seitenscheibe hochgedreht. Es kam ihm sicher zuviel "gute Luft" von draußen herein. Es sind wirklich nur wenige Fahrer, die den Motor abgestellt haben. So ist ds nun mal: Wenn das Auto lebt, wenn seine Kolben arbeiten, bläst es unweigerlich Stoffe in die Luft, die für Menschen, Tiere und Pflanzen schädlich sind. Mein Lächeln zu dem Fahrer des Nebenautos hinüber
fällt etwas säuerlich aus. Er kann nicht wissen, was mir durch den Kopf geht.
Wie sehr das Auto in seiner heutigen technischen Form doch den Menschen gleicht!
Menschen werden geboren mit einer seelisch-technischen Ausrüstung, die Schuld produziert, sobald sie anfangen zu atmen. Automotoren lassen sich an- oder abschalten . Menschenherzen laufen vom Moment ihrer Zeugung bis zum letzten Atemzug ununterbrochen. Welche Unmenge von Schuld ist da bis heute zusammengekommen - nur durch die einfache Tatsache, daß Menschen leben.
Die Abgase hier im Stau vermischen sich mit der Atmosphäre und füllen sie leider immer mehr an mit den verschiedensten Giften. Sehen kann ich sie nicht, aber sie schaden unserer Gesundheit enorm Auch mit viel Geld lassen sie sich nicht aus der Welt schaffen. Die schädlichen Folgen, die menschliches Leben produziert, sind auch meist nicht zu sehen, aber sie bleiben bestehen und die Rechnung dafür wird immer höher. Für die Beseitigung der Lebensverpestung durch Schuld bieten viele Religionen Lösungen an, aber bis jetzt hat sich nur ein Katalysator bewährt. Die Stelle, die in der Lage ist, alle Schadstoffe der Welt in sich aufzunehmen , hat ihre Haupteinfahrt am Kreuz Jesu Christi.
Wer sie nutzt, lebt in einer bereinigten, gereinigten Atmosphäre. Er kann aufatmen und gesund werden
Wozu ein Stau doch alles gut ist! Dazu noch ein Stau am Kreuz! Mir fallen noch mehr Parallelen ein. Am Kreuz auf Golgatha gab es in den zurückliegenden zweitausend Jahren soviel ich weiß, selten einen Stau. Die meisten Menschen sind andere Wege gegangen. Entweder haben sie die Hinweisschilder übersehen, oder sie haben sich auf die Wegbeschreibungen derer verlassen, die vorgaben, sich iauf allen Straßen auszukennen.
In unserem Land gab es zuletzt nach dem zweiten Weltkrieg eine Art Stau am Kreuz. Viele Kirchen faßten die Menschenmassen nicht, die sich auf Gottes Hilfe und Trost besannen. Die Anzahl der Jugendlichen in den verschiedenen Gruppen läßt heutige Kirchengemeinden vor Neid erblassen.Viele Straßen waren damals zerbombt und verbarrikadiert. Die Straßen der Städte ebenso wie die Straßen der Hoffnung in den Menschen. Heute geht es den Leuten vom Balkan ähnlich. Ich hörte, daß nicht wenige hier im fremden Land den Weg Gottes gefunden haben, die in der früheren Sicherheit ihrer Heimat die gute Botschaft vom Kreuz verlachten. Solche drastischen Heimsuchungen wünsche ich keinem Menschen. Da wäre es schon besser, sie würden einen Stau am Kreuz zum Anlaß nehmen, die richtige Abfahrt zu nehmen und an dem Ziel ankommen, daß Gott für sie vorbereitet hat.
Schauen Sie nicht so erstaunt, mein Herr in Ihrem japanischen Nobelauto. Ich schreibe immer noch an meinem Bild vom Stau, auch wenn es jetzt ab und zu anderthalb Meter voran geht. Ich würde lieber auf dem Hügel vor Jerusalem im Stau stehen, glauben Sie mir, das wäre toll. Da würde ich gerne in der hintersten Reihe warten, wenn es nur soviel Andrang gäbe wie nie zuvor. Hier auf der A 3 dauert ein Stau mal länger, mal kürzer. Ich wäre nicht traurig, wenn es diesmal die kürzere Version gäbe. Erstens komme ich nicht gerne zu spät und zweitens möchte ich möglichst bald die durcheinander gekritzelten Gedanken auf meinen Notizzetteln zu einer richtigen Geschichte machen.
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