Gastgeberin: Das werde ich tun. Und zwar gleich die hübsche Maria links von mir. Haben Sie Ihren Namen in Erinnerung an Ihre Vorrednerin bekommen?
Maria aus Rom: Nein, ich glaube nicht. Bei uns in Rom wurde zwar noch die Passahfeier gehalten, aber eigentlich fühlten wir uns mehr als römische Staatsbürger. Die alten Schriften sagten uns nur noch wenig. Von den beiden Marias aus den Zeiten vor Salomo hatte ich nie gehört. Erst als ich zur Gemeinde im Hause von Aquila und Priscilla kam, interessierte ich mich für die Geschichte meines Volkes. Zu unserer Gruppe gehörten übrigens auch Verwandte von Paulus. Andronikus und Junias zum Beispiel - eine Zeitlang wohnte Epänetus bei uns. Er kam aus der Landschaft Asien und war dort der erste, der an Christus glaubte. Damals fing es schon an, daß die Römer uns Schwierigkeiten machten wegen unseres neuen Glaubens. Der stand nun mal hart gegen die Verehrung des Kaisers als göttliches Wesen. Aquila und seine Frau riskierten ihr Leben, weil sie öffentlich für Paulus eintraten. Paulus saß ja im Gefängnis wegen seiner angeblich aufrührerischen Reden.
Gastgeberin: Liebe Maria, Sie sprechen so begeistert von den anderen in Ihrer Gemeinde. Erzählen Sie doch von sich und Ihrer Arbeit.
Maria v.R.: Ach, da gibt es nicht viel zu sagen. Wir haben uns eben gegenseitig geholfen, wo es nur ging. Ob es die Gedächtnismahl-Feiern waren oder ob Kinder zu betreuen waren, es kam so einiges zusammen. Das hätte wohl jeder getan.
Gastgeberin: Jedenfall war Paulus Ihnen sehr dankbar für Ihre Mühe. Er hat Sie besonders erwähnt und als Beispiel empfohlen!
Maria v.R.: Ja, Paulus! Er hatte eine gute Art, uns zusammenzuhalten und uns Mut zu machen. Und den brauchten wir auch bitter nötig, je mehr wir als Christen in der Öffentlichkeit auffielen.
Gastgeberin: Sie sprachen von "bitter" - bringen Sie Ihren Namen mit Ihrem Leben in Verbindung?
Maria v.R.: Nein, der Name war damals Mode - ich weiß nicht, wieso. Und - mein Leben soll bitter gewesen sein? Das muß ich mir doch verbittern - eh, ich meine: verbitten!
Werden Sie denn in Ihrer Zeit nicht mit Mächten konfrontiert, die sich für Gott persönlich halten und Jesus Christus die Herrschaft aberkennen? Wir haben - genau wie Sie, darin die Wehen gesehen, unter denen das Gottesreich geboren wird. Und Wehen sind nichts Bitteres - besonders, wenn sie vorüber sind.
Gastgeberin: Natürlich, Sie haben recht, Frau Maria! Lassen wir also das Wortspiel mit dem Namen beiseite, denn - wenn es auf eine Frau n i c h t zutrifft, dann auf Maria, die Mutter von Jakobus und Joses. Was meinen Sie, Frau Kleophas?
Aber - bevor Sie uns Ihre Geschichte erzählen - wem kann ich nochmal Kaffee nachschenken und wie wär´s mit einem Stück Feigentorte?
Nun, Frau Kleophas, Sie wollten uns erzählen, wie Sie zu Ihrem Namen kamen, den Sie ja mit allen Damen hier am Tisch gemeinsam haben.
Maria Kleophas: So? Wollte ich das? Sie sagten selbst, daß meine Name nicht viel mit meinem Leben zu tun hat. Und das stimmt. Ich weiß nur, daß meine Lieblingstante Maria hieß, und das erklärt schon alles.
Gastgeberin: Sie werden in den Aufzeichnungen von Matthäus und Markus erst erwähnt, als Jesus bereits verurteilt war. Gibt es denn dafür einen Grund?
Maria Kleophas: Einen Grund? Wenn Sie es so genau wissen wollen: Ich war vorher mehr Zuschauer der ganzen Entwicklung. Wenn Sie Söhne hätten - Söhne im besten Alter,dem Vater in seinem Gewerbe eine Hilfe zu sein, und dann laufen sie plötzlich jahrelang mit einer Schar Außenseiter durch die Gegend und hören einem der immer mal wieder aufkommenden Wanderprediger zu - ich weiß nicht, ob Sie begeistert wären, so als Mutter, meine ich.
Dann war die Gruppe ein paarmal bei uns im Haus -eingeladen von unseren Herren Söhnen. Ich hörte und sah diesen Jesus persönlich. Sie haben selbst gesagt, wie es weiterging: er hat mich überzeugt. Er war der langersehnte Messias, der Sproß aus Davids Stamm!
Gastgeberin: Sie waren unter den wenigen, die zu diesem Nazarener noch standen, als es überhaupt nicht mehr so aussah, als sei er der Retter des Volkes. Das war sehr mutig von Ihnen. Sind Sie mutig von Natur aus?
Maria Kleophas: Kann sein. Ich wußte es bis dahin selbst nicht. Irgendwas band mich an diesen Menschen. Er war nicht viel älter als meine Söhne, er hätte auch mein Sohn sein können, und doch war so anders. Joses erzählte mir einmal, er hätte ganz offen davon gesprochen, daß er viel leiden werde und sogar sterben müsse. Und er hätte angedeutet, daß das aber nicht das Ende seines Auftrags sei.Gegen über die grausamen Richter und die heidnischen Vollstrecker des Todesurteils konnte ich nichts tun, alles war gelaufen, und doch war ich innerlich nicht fertig mit der Geschichte. Können Sie mir folgen?
Gastgeberin: Das ist interessant! Sind Sie deshalb mit den beiden anderen Frauen nach Golgatha gegangen und wollten zwei Tage später mithelfen, den Leichnam herzurichten? Sie wußten doch, daß das Grab bewacht wurde. Hatten Sie keine Sorge, beschimpft oder sogar bestraft zu werden?
Maria Kleophas: Ach, bei Frauen sahen die Besatzer das nicht so eng. Wären Petrus oder meine Söhne als erste zum Grab gegangen - denen hätten sie wahrscheinlich Schwierigkeiten gemacht. So waren wir drei die Vorhut - und außerdem kannten sich die Männer nicht aus mit den Kräutern und der Balsamierung.
Gastgeberin: Und dann war das Grab leer - und die jungen Männer in den weißen Festtagskleidern sagten euch: Er ist auferstanden, er lebt! Haben Sie denen geglaubt?
Maria Kleophas: I wo! Es kam uns vor, als träumten wir. Oder die beiden da in der Grabhöhle wollten sich über uns lustig machen. Sicher, der schwere Grabdeckel lag neben dem Eingang, die Wachsoldaten waren fort, und in der Höhle lag kein Toter mehr. Was sollten wir glauben? Salome und ich machten uns auf den Rückweg. Vielleicht wußten die Männer doch schon mehr als wir. Maria Magdalena blieb noch zurück. Ein paar Minuten später kam sie angelaufen. Atemlos, mit einem Gesicht, als hätte sie alle Schätze der Welt geschenkt gekriegt. Was sie dann hervorstotterte, konnten wir erst recht nicht begreifen! Sie war so voll von ihrer Begegnung! Sie hüpfte und sprang vor uns her wie ein Hündchen und trieb uns an. Aber - daß sie nicht übergeschnappt war, merkten wir wohl. Es mußte wahr sein: Jesus lebte! Und da... ich kann es nur so beschreiben: die winzige Flamme in mir wurde zu einem hellen, warmen Feuer, und ich war plötzlich ganz gewiß: dieser Jesus war also nicht nur einer unter vielen Wanderpredigern gewesen. Er hatte sich nicht nur so gefühlt, als sei er vom heiligen Jahwe persönlich gesandt - er war tatsächlich derjenige, der sich aus der unsichtbaren Welt zu uns Menschen bemüht hatte. Er hat uns auf eine Art aus den Fesseln aller bedrückenden Mächte befreit, zu der kein Mensch und kein Götze sich je hergegeben hätte. Wer von uns hatte denn schon eal damit gerechnet, daß sich der Gott Abrahams und Davids noch einmal blicken lassen würde? Ich behaupte mal: selbst die Priester und Schriftgelehrten nicht!
Gastgeberin: Wie Sie das erzählen, - das geht mir durch und durch, Frau Maria. Können Sie sich vorstellen, daß auch andere Menschen zu Ihrer Zeit eine Ahnung von der wahren Größe dieses unscheinbaren Predigers hatten?
Maria Kleophas: Das denke ich doch. Fragen Sie mal unsere kleine Maria, die Schwester von Martha und Lazarus aus Bethanien!
Gastgeberin: Das mache ich wirklich! Aber - essen Sie ruhig erst zuende, liebe Maria. Oder darf ich noch Du zu Dir sagen?
Maria aus Bethanien: Aber sicher! Was wollen Sie denn wissen?
Gastgeberin: Bei euch im Haus in Bethanien sind Jesus und seine Freunde oft gewesen. Wer er auch manchmal allein da?
Maria a.B.: Sie können ruhig direkt sagen, daß Sie den Tag meinen, an dem Martha so wütend war, weil ich ihr nicht in der Küche geholfen habe. Ich saß bei Jesus im Wohnraum, er erklärte mir die Gleichnisse, die er den Leuten draußen wie ein Rätsel vorgelegt hatte. Tagelang hätte ich ihm zuhören können!
Gastgeberin: Aber deine Schwester mußte sich allein plagen, das war nicht grade nett von dir!
Maria a.B.: Sie können das nicht verstehen! Wer hielt es zu unserer Zeit schon für nötig, mit einem jungen Mädchen ernsthaft zu reden und dann noch über Dinge, die sonst nur Männer angingen. Und wie er mit mir sprach! So lieb, so freundlich!
Gastgeberin: Liebe Maria, was hast du denn gefühlt, als euer Bruder todkrank war und tatsächlich starb. Und Jesus kam und kam nicht, um ihn zu heilen. Schließlich hatte er Hunderte gesund gemacht. Lazarus und euch liebte er sogar, wie Johannes erzählt.
Maria a.B.: Ich wollte eigentlich nicht darüber sprechen. So traurig, wie in dieser Woche, war ich noch nie. Martha und ich weinten den ganzen Tag. Ich wußte nicht, worüber ich mehr Kummer fühlte - daß Lazarus tot war- oder darüber, daß wir Jesus plötzlich so egal waren. Da war Martha die Stärkere. Sie hat mich in den Arm genommen und gesagt: Warte mal, bis er da ist, wer weiß, was noch geschehen kann! Ich hab gedacht, sie wollte mich nur trösten, aber sie meinte das so, wie sie es sagte.
Am vierten Tag nach der Beerdigung kam er dann endlich. Wir sind ihm entgegengelaufen und haben uns erstmal ausgeweint. Sie wissen ja, was dann passierte. Ob er unseren Bruder aus dieser Todeshöhle herausgerufen hätte, wenn Martha sich nicht so sicher gewesen wäre, daß er es konnte - weil er eben wirklich der Sohn des Ewigen war? Wie aber sein Weg weiterging und warum das alles so kommen mußte, das haben wir, ehrlich gesagt, selbst erst begriffen, als er vierzig Tage lang in seiner neuen Existenz noch bei uns war.
Gastgeberin: Ja, ist das nicht seltsam? Selbst die größten Wunder Jesu überzeugen die Menschen nicht davon, daß er Gott selbst ist. Nur sein Sterben und, daß er den Tod besiegt hat, das verändert die Herzen.
Noch ein Frage, Maria: Kanntest du die Eltern Jesu und seine Geschwister auch?
Maria v.B.: Klar, was meinen Sie, warum ich Maria heiße? Jesu Mutter und meine Mutter waren Freundinnen!
Gastgeberin: Ach so! Deshalb hat du dich so nah neben diese Maria gesetzt! Ich finde es wunderbar, daß Sie auch gekommen sind, Frau Maria aus Nazareth. Sie hatten ja den größten Anteil am Leben des Gottessohnes Jesus.
Mutter Maria: Wenn ich dazu was sagen darf: Den größten Anteil - ja, das ist richtig - aber es bleibt ein Geheimnis, daß mein Sohn genauso Mensch war wie ich und doch der allmächtige Schöpfer des Lebens selbst, - das möche ich immer betonen. Ich war die Mutter Jesu, solange er auf dieser Erde lebte und seinen Auftrag erfüllte.
Gastgeberin: Sie sehen die Dinge so nüchtern und klar. Dabei waren Sie doch die Frau, die aus allen Menschen auserwählt wurde und am höchsten geehrt. Waren Sie denn nicht total aus dem Häuschen, - um es profan auszudrücken - als Sie sich über Ihre Stellung klarwurden?
Mutter Maria: Welche Stellung, bitte schön? Mußten Sie schon einmal Ihrer Familie, Ihrem Verlobten und den sensationslüsternden Nachbarn erklären, daß Sie in andern Umständen sind von jemand, der sich Heiliger Geist nennt? Ich konnte froh sein, daß der Engel meinem Josef die Geschichte bestätigt hat, sonst....
Gastgeberin: So habe ich das noch nie gesehen. Man sagt aber doch, das ganze Volk hätte sehnsüchtig auf den Messias gewartet. Jetzt, wo Sie sagen konnten: "Seht her, mein Sohn ist der, derjenige welcher!" stand Ihre Familie da nicht von Anfang an im Mittelpunkt und wurde von allen unterstützt?
Mutter Maria: Natürlich gab es einige Leute, die ungeduldig darauf warteten, daß ein Mann aus dem Stamm Davids und Salomos käme und endlich das Großreich Israel wieder herstellen würde. Die römische Besatzung sollte ein Ende haben, die zerstrittenen Stämme kämen wieder zusammen- darauf hofften viele. Ich hatte es ja anfangs auch so verstanden. Wir haben unserem Sohn Zeit gelassen, bis er selbst anfing, öffentlich aufzutreten. Er war bei Johannes am Jordan gewesen und hatte sich von ihm taufen lassen. Das war eins der Dinge, mit denen die ich absolut nicht zurechtkam. Als er nach vierzig Tagen aus der Wüste zurückkam, wirkte er irgendwie anders, entschlossener. Er war dann nur noch selten zuhause, desto mehr hörten wir über ihn erzählen. Er heilte Kranke, er predigte in den Synagogen und auf den Straßen.
Wir, das heißt, meine Familie und ich, waren gespannt, wie es weitergehen würde. Wenn man die Tatsachen ansah, war eigentlich nicht viel Hoffnung auf einen Umsturz. Herodes residierte in seinem Palast ohne jede ernstzunehmende Opposition. Die Römer hatten die öffentliche Verwaltung fest im Griff. Wie sollte sich etwas ändern? Nur die Gewißheit, daß es eben von allerhöchster Stelle verheißen war, ließ uns noch hoffen.
Gastgeberin: Darf ich zwischendurch was fragen? Haben Sie sich nicht gewundert, daß sich Jesus Männer und Frauen zu seiner Begleitung und als Helfer suchte, die aus den unteren Bevölkerungsschichten kamen und nicht aus d e n Kreisen, die ihm bei einer Regierungsübernahme hätten behilflich sein können?
Mutter Maria: Woraus schließen Sie das? Weil es zum Teil Fischer waren? Selbständige Fischer sind ein geachteter Berufsstand, ihre Familien waren nicht die ärmsten. Und denken Sie an die anderen Freunde: Levi Matthäus, der Zöllner - er war sehr einflußreich, auch nachdem er öffentlich seine Unterschlagungen und Betrügereien zugegeben hatte. Bei den Frauen, die die Gruppe finanziell unterstützen, war auch Johanna, die Frau eines Verwaltungsbeamten von Herodes. Und im übrigen: ein politischer Umschwung im Land mußte von der Basis kommen. Das war mir schon vor der Geburt Jesu klar. Menschen, die über andere Macht und Gewalt ausüben, sind meist nicht mehr ansprechbar für die Nöte der kleinen Leute.
Gastgeberin: Da sagen Sie ein wahres Wort. Die Bewegung von der Basis - wie Sie es nannten - ließ sich ja auch anfangs recht gut an. Dann kam die schlimme Nachricht: Jesus ist gefangen und soll hingerichtet werden! Ich möchte gar nicht fragen, wie Ihnen da zumute war, das kann wohl keiner nachempfinden. Wo haben Sie diese furchtbaren Tage verbracht?
Mutter Maria: Der kleine Johannes hat mich zu sich genommen. Ich war zu keinem Gedanken fähig. Meinen Söhnen Jakobus, Simon und Judas wollte ich nicht unter die Augen treten. Was hätte ich ihnen sagen sollen? Zwei Tage war ich unfähig, mich aus dem Haus zu rühren. Daß Maria Magdalena, Maria Kleophas und Salome sich bemüht haben, wenigstens die guten Sitten zu wahren und den Leichnam herzurichten- das erfuhr ich erst später. Ich wäre dazu nicht in der Lage gewesen.
Gastgeberin: Das ist mehr als verständlich. Aber Sie und Ihre Familie sind nach dem großen Passahfest erstmal nicht wieder nach Nazareth zurückgekehrt. Warum , das ist mir klar - aber in dem Bericht von Lukas, der ja viel später geschrieben wurde, habe ich leider nur sehr magere Angaben über die Zeit nach Karfreitag gefunden. Erzählen Sie doch, Frau Maria!
Mutter Maria: Ach, das waren aufregende Stunden! Am ersten Tag der Woche kam der kleine Johannes wie ein Wirbelwind nachhaus gelaufen und rüttelte mich. "Er lebt, er lebt!" rief er immer wieder. Ich verstand gar nichts mehr. Und aus dem Jungen sprudelte es nur so heraus - von dem Grab, das leer war, von den Engeln und was Maria Magdalena ihm und Petrus erzählt hatte. Wir konnten kaum den Abend erwarten, wo wir uns alle trafen; heimlich - hinter verschlossenen Türen. Es hätte ja sein können, daß die Schergen jetzt auch hinter den Anhängern dieses sogenannten Aufrührers herwaren, wo auch noch das Gerücht umging, wir hätten seine Leiche gestohlen!
Gastgeberin: Und da haben Sie Ihren Sohn wiedergesehen? Leibhaftig?
Mutter Maria: Ja, leibhaftig habe ich ihn gesehen, er war plötzlich im Raum, trotz verschlossener Tür! Aber - er war nicht mehr mein folgsamer, menschlicher Sohn, den ich in Bethlehem geboren hatte und dreißig Jahre lang behüten und versorgen durfte, genau wie seine jüngeren Brüder und Schwestern. Er - er war in die Welt zurückgekehrt, aus der er kam um unsertwillen. Obwohl er einen Körper hatte, der essen und trinken konnte, den wir anfassen durften und der sprach, wie wir ihn kannten - er war höher, erhabener, anbetungswürdig.
Gastgeberin: Ich hatte gehofft, in den Berichten zu lesen, daß er Ihnen, als seiner Mutter, irgendeine große Aufgabe zugeteilt hätte, eine bevorzugte Position in seinem ewigen Reich - aber davon steht nirgendwo etwas. Waren Sie nicht enttäuscht?
Mutter Maria: Nein, das hätte ich gar nicht gewollt. Wissen Sie, wie ich endlich begriffen hatte, daß er nicht nur für die unzähligen anderen Menschen auf diese Erde gekommen war, um für deren Schuld zu sühnen - sondern auch für meine eigene - da war mir dieses Aufatmen viel, viel wichtiger als jede noch so großartige Sonderstellung.
Gastgeberin: Ich hätte Sie noch soviel zu fragen, liebe Marias aus biblischen Zeiten, aber die Uhr bleibt nicht stehen.Du möchtest noch etwas sagen, kleine Maria?
Maria a.B.: Ja, ich wollte nur bemerken: Sie haben noch eine Maria vergessen einzuladen.
Es sind nicht sechseinhalb, sondern siebeneinhalb Marias.
Gastgeberin: O nein, ist das wahr?
Maria a.B.: Ja.es ist Maria, die Mutter von Johannes Markus. Lukas hat doch ausführlich von der Nacht erzählt, als Petrus von dem Engel aus dem Gefängnis befreit wurde und zum Haus dieser Maria ging, wo viele für ihn beteten.
Gastgeberin: Aber natürlich! Wie konnte ich diese mutige Frau nur vergessen einzuladen?
Sie wird mir hoffentlich verzeihen. Also siebeneinhalb Marias - unser interessanter Nachmittag geht leider zuende. Danke Ihnen allen, daß Sie hier waren, Danke für Ihre Freundlichkeit, und ganz bestimmt: auf Wiedersehen irgendwann in den Wohnungen unseres Vaters im Himmel.