Das brennende Öl.
Donnerstag, den 9. August 1978 - 12.55 Uhr. Unser Lehrmädel Carola ist bereits seit zehn Minuten auf dem Heimweg, unser Sohn Jürgen ist noch unterwegs von Köln mit einem Auto voll neuer Ware, unsere kleine Sonja spielt drüben in Nachbars Garten mit ihrem "Busenfreund" Frank. So bin ich in den 150 qm Laden zuzüglich Einfamilienhaus mutterseelenallein. Und - es ist noch kein Mittagessen auf dem Herd, und - um halb zwei kommt "Onkel" Heinz hungrig zu unserem Tisch. Also - was tut eine clevere Hausfrau? Sie sieht nach, ob gerade ein Kunde den Weg herunterkommt. Nein? Dann schnell hinauf in die Wohnung, einen Topf auf den Elektroherd, einen ganzen Liter Öl hinein und auf große Flamme gestellt. Wieder hinunter in den Laden, es sind ja nur noch fünf Minuten bis zum Abschließen. Wo ist der Schlüssel? Da hängt er ja. Ich nehme ihn, gehe zur Tür .... "Guten Tag!" "Guten Tag, Frau Dings... was darf ich Ihnen geben?" Dies und das, und haben Sie..., und könnten Sie,.. ach, ich müßte eigentlich noch..."
O wei, nun ist es schon zehn nach eins! Endlich, sie geht! Tür zu, Licht aus, Treppe hinauf, Küchentür auf, und.... schreien kann ich nicht, ich mach nur entsetzte Atemzüge und flüstere: "Vater, Vater, was soll ich tun? Bitte, sag es mir!" Wie irr starre ich auf den Topf, aus dem eine mindestens ein Meter hohe Flamme schlägt. Ich reiße ein Handtuch vom Haken, halte es unter den Wasserstrahl und werfe den nassen Lappen in hohem Bogen auf den brennenden Topf. Schwarzer Qualm bläst mir um die Ohren. Das Handtuch herunter, noch einmal nass machen, nochmal damit die Flammen ersticken. Jetzt kann ich den Topf nehmen und ins Waschbecken stellen. Unter dem kalten Wasser zischt und qualmt das heiße Öl wie ein Höllenspektakel. Ein schwarzer Film legt sich auf Tisch, Fenster, Schrank, Geschirr, einfach überall hin.
Das Fenster muß auf! Ein Schritt - und ich liege in voller Länge auf dem glitschigen, ölverschmierten Fußboden. Ein Stuhl fällt um, mein Kleid ist hinüber, die Strümpfe zerrissen - zum Glück ist meine Brille noch heil. Ich sitze halb unterm Tisch, die Hände um die Knie gelegt und flüstere immer nur ein Wort: Danke, danke, Herr!
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Wer die Flamme gesehen hätte und dazu gewußt, wie papieren dünn unsere Wände und Decken sind, wie nah die Gardinen waren und überhaupt - der kann niemals von Zufall oder "Glück" sprechen, dem hätte sich das Wort "Bewahrung" aufgedrängt. Wie kann es sonst möglich sein, daß Feuer "zufällig" seine Bestimmung vergißt und nicht alles verbrennt, was erreichbar ist?
All die vielen Stunden Putz- und Spülarbeit, das Neutapezieren und das schwarze Fett in den entlegendsten Schrankwinkeln können meine Freude und Dankbarkeit nicht trüben.
Pommes frites werden wir heute nicht essen, aber Butterbrote mit Rußeinlage schmecken auch nicht schlecht!
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